Im Sommer 1985 wagte Volkswagen den Griff
nach den Sternen. Auf der hauseigenen Teststrecke im niedersächsischen
Ehra-Lessien gilt für den linken von drei Fahrstreifen Tempolimit 200
km/h - allerdings als Tempolimit nach unten hin! Daher durfte dort nie
ein VW Polo fahren... bis zu jenem Tag, an dem der 24-Stunden Rekord
gebrochen wurde. Drei Prototypen des Polo G40 wurden in den Hallen der
Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Handarbeit auf den harten
Renneinsatz vorbereitet und sollten so den neuartigen G-Lader unter
Extrembedingungen testen.
Motor / Getriebe
Der Motor der Polo G40 Prototypen war dem
späteren Serienmotor schon sehr ähnlich. Der Hubraum betrug bereits
1.272 cm³, allerdings mit einer Verdichtung von nur 7,5:1. Auffällig
ist, dass der Zylinderkopf noch den abgeschrägten Ventildeckel besaß;
die Vermutung liegt also nahe dass es sich noch um die Version mit
über Schlepphebel betätigten Ventilen aus der laufenden
Serienproduktion dieser Zeit handelte. Beim G-Lader handelte es sich
ebenfalls noch um eine Prototypenversion, welcher mit leicht
geänderter Übersetzung über Zahnriemen angetrieben wurde und einen
Ladedruck von 0,75 Bar lieferte. Die Leistung wurde dadurch auf 94 kW
(129 PS) bei 6.000 Upm / 160 NM bei 4.000 Upm erhöht, die maximale
Geschwindigkeit lag bei 218 km/h. Damit im 24-stündigen Dauermarathon
keine thermischen Probleme auftreten, versah man den Motor und das
Getriebe jeweils mit entsprechenden Ölkühlern. Die Kraftübertragung
erfolgte über ein speziell lang abgestimmtes 5-Ganggetriebe. Die
Abgase verließen die Brennräume zuerst durch einen der beiden
Katalysatoren und anschließend durch die beidseitige
Doppelauspuffanlage. Damit bei einem Kraftstoffverbrauch von 18,8
l/100 km unter Volllast keine wertvolle Zeit bei den Tankvorgängen
verloren ging, installierte man im Heck des Polos eine Renntankanlage.
Karosserie
Mit Hilfe eines Spoilerpaketes konnte der
cW-Wert um rund 10 Prozent gegenüber dem Serienmodell reduziert
werden. Dieses Paket bestand aus einer tiefen Frontschürze,
Seitenschürzen, Heckschürze mit Diffusor sowie einem Dachspoiler. Für
den Renneinsatz wurden noch die Spalte rund rum die Scheinwerfer mit
Klebeband verschlossen, um den Luftwiderstand noch zusätzlich zu
minimieren. Zur Erhöhung der Karosseriesteifigkeit und aus
Sicherheitsaspekten kam der aus dem Polo Cup bekannte
Matter-Überrollkäfig zum Einsatz, außerdem wurde die Karosserie an
zahlreichen Stellen durch zusätzliche Schweißnähte verstärkt.
Fahrwerk
Die Änderungen am Fahrwerk betrafen
augenscheinlich nur die Tieferlegung. Interessant ist, dass in den
Prototypenversionen noch keine Querlenker mit Unibalgelenken zum
Einsatz kamen wie im Serienmodell ein gutes Jahr später. Auch kam man
ohne Fahrwerks- und Domstreben aus. Um möglichst geringe
Abrollwiderstände zu ereichen, wurden extrem schmale (155er)
Rennslicks von Pirelli montiert.
Innenraum
Typisch für ein Rennfahrzeug ging es im
Innenraum verhältnismäßig spartanisch zu. Ein Beifahrer war nicht
vorgesehen, denn nur für den Fahrer stand ein Schalensitz mit
4-Punktgurt zur Verfügung. Immerhin deuteten das Sport-Lederlenkrad
vom damaligen VW Polo GT sowie die rote Instrumententrägerumrandung
schon auf ein Modell jenseits der breiten Masse hin. Was an Komfort
fehlte, glich man durch Zusatzinstrumente aus. Damit der Fahrer alle
Informationen schnell ablesen konnte, lieferten ihm zusätzliche
Anzeigen ständig Motoröltemperatur sowie -Druck, Kühlwassertemperatur,
Kraftstoffvorrat und -Druck, Ladedruck und Getriebeöltemperatur. Im
Falle eines Falles konnte der Fahrer die fest installierte
Feuerlöschanlage über Knopfdruck im Cockpit aktivieren.
Mit den drei Prototypen, welche auch als
"Weltrekord-Polo" bekannt sind gelang Volkswagen ein neuer
Geschwindigkeitsrekord über 24 Stunden und eine Distanz von rund 5.000
Kilometern. Der alte Wert eines Ford Escort erschien mit knapp 169
km/h im Durchschnitt regelrecht lächerlich gegenüber dem neuen Rekord
von durchschnittlich 208 km/h des VW Polo G40. Die erste
Bewährungsprobe des neuen G-Laders war also bestanden, so dass man
sich zu der gut ein Jahr späteren Serienproduktion der 500 VW Polo GT
G40 entschloss.
Der einzige noch erhaltene Prototyp ist im AutoMuseum Volkswagen zu
besichtigen.
Video zum Weltrekord-G40 von der Techno Classica 2005
Text und Bilder (C) Sebastian Winkler -
www.g-lader.info |