Entwicklung des G-Laders und anderer
Spirallader
Das Grundprinzip des G-Laders führt auf die
Entwicklung des Franzosen Léon Creux zurück, der im Jahr 1905 einen
Spiralverdichter zum Patent anmeldete. Zu dieser Zeit war jedoch an eine
Produktion solcher Spirallader nicht zu denken, da es an den Möglichkeiten
fehlte, die Bauteile mit der nötigen Präzision herzustellen.
Im zweiten
Weltkrieg kam der Bedarf auf, Motoren von Flugzeugen aufzuladen um in der
Höhe abnehmende Luftdichte zu kompensieren - anderenfalls hätten die
Flugzeugmotoren in großer Höhe nicht die volle Leistung entwickelt. Hier
sollen bereits Spiralverdichter zum Einsatz gekommen sein.
Im Laufe der Zeit
griffen einige Firmen (wie z.B. Pierburg) das Konzept für den PKW-Sektor auf, verfolgten es
aber auf Grund der hohen Toleranzanforderungen beim Fertigungsprozess aber
nicht bis zur Serienreife. Im Jahr 1978 wurde Dr. Ernst Fiala, damaliger
Entwicklungschef bei Volkswagen, auf den Spirallader aufmerksam. Es
folgten zahlreiche Prototypen des später "G-Lader" genannten
Spiralverdichters, es wurde mit verschiedenen Kammerbreiten sowie
unterschiedlichen inneren Verdichtungen experimentiert.
Prof. Ulrich Seiffert (VW Technikchef ab
1.9.1988) mit Prof. Ernst Fiala (VW Technikchef bis 1.9.1988)
Einen ersten Prototypen eines mit "Kompressor"
aufgeladenen VW Polo GT bekam die Öffentlichkeit 1983 zu Gesicht, der Name
"G-Lader" oder "G40" existierte zu dieser Zeit aber noch nicht. Und obwohl
nur ein Jahr später (1984) mit der Studie "Polo Sprint" ein
weiteres Fahrzeug mit einem neuartigen Spirallader der breiten Öffentlichkeit präsentiert wurde, hüllte sich Volkswagen
zunächst noch in
geheimnisvolles Schweigen. Erst zur IAA 1985 wurde offiziell das neue
Aufladungskonzept des G-Laders der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und
der "Polo GT G40" einer streng limitierten Sonderserie vorgestellt.
Den
Namen "G-Lader" leiteten die Ingenieure aus der Form der Spiralgänge ab,
die an den Buchstaben "G" erinnern. Die Zahl in den Modellbezeichnungen
"G40" bzw. "G60" beschreibt die Kammerbreite, 40.0 und 59.5 mm. Zum Beweis
der Standfestigkeit ließ Volkswagen drei
G40-Prototypen auf der
Hochgeschwindigkeitsteststrecke in Ehra-Lessien 24 Stunden lang ihre
Kreise ziehen. Neben der Aufstellung eines neuen
Höchstgeschwindigkeitsweltrekords in dieser Klasse konnte die
Zuverlässigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden. Erst 1987
sollte der G-Lader im auf vorerst 500 Fahrzeuge limitierten Polo GT G40 in
Serie gehen, außerdem wurden 40 Fahrzeuge von Volkswagen Motorsport in
Hannover auf die Rennstrecke geschickt. Weitere Dauertests wurden 1987 mit
einem Golf G60 und 1988 mit einem
Corrado G60 ausgefahren
- auch der Corrado G60 sicherte insgesamt sechs Rekorde in seiner Klasse.
Bis Ende der 1980er Jahre bestand seitens der Entwicklungsabteilung eine
begründete Hoffnung, der G-Lader könnte in noch größeren Stückzahlen
gefertigt und die Herstellungskosten der Baugruppe somit gesenkt werden.
Es war von Anfang an geplant, den G-Lader auch an Dieselmotoren in Serie
zu verbauten und Tests dazu verliefen nach Aussagen damaliger Entwickler
überaus viel versprechend. So ist es denkbar, dass aus dem berühmten 1.9
TDI mit 90 und 110 PS z.B. aus VW Golf III und Passat 35i ein 1.9er Diesel
mit G40 oder G60-Lader geworden wäre. Ebenfalls liefen im Hintergrund
Gespräche mit einem Stuttgarter Automobilhersteller, den G-Lader gemeinsam
in Großserie zu fertigen - doch für ein spezielles Roadster-Modell wurde
zu Gunsten eines Eaton Kompressors entschieden.
Zum Jahrzehntwechsel 1980er/1990er waren so ziemlich alle Schwächen des G-Lader
ausgemerzt. Die Fertigung der Komponenten war inzwischen unproblematisch -
Volkswagen fertigte die Komponenten nicht mehr selbst. Konstruktive Optimierungen wurden z.B. noch am Verdränger
vorgenommen, der so genannte "Freischnitte" erhielt, damit die Kammerwände
auch unter Last und Schwingungen nicht mehr an den Gehäusewänden
anstießen. Außerdem wurde die Nabe des Verdrängers über die Generationen
insoweit optimiert, dass die Abstützung zur Grundplatte stabiler wurde und
trotzdem Überströmöffnungen in ausreichender Größe möglich waren. Aufgrund der noch geringen Stückzahlen (nur Serienmodelle Polo, Golf,
Passat - der Corrado G60 wurde durch den VR6 ersetzt und der Golf III
später auch nur mit VR6 in der Top-Motorisierung angeboten) blieb der
komplexe G-Lader im Verhältnis zu teuer.
Den finalen Abschluss der G-Lader Ära besiegelte Ferdinand Piech
höchstpersönlich, der - wie es aus glaubhaften Quellen gesagt wird -
eigentlich ein
großer Fan des G-Laders war. Der Abgasturbolader war inzwischen preislich
ungeschlagen günstig und die VTG-Technik (= variable Turbinengeometrie;
eine je nach Lastzustand im Anstellwinkel verstellbare Turbinenschaufel)
ausgereift. Piech nahm zwei speziell für einen Fahrversuch präparierte
Audi mit Dieselmotor unter die Lupe - einen mit G-Lader und einen mit VTG-Turbolader. Obwohl der Diesel-G-Lader im Fahrversuch überlegen gewesen
sein soll, wurde final beschlossen, den G-Lader nicht länger weiter zu
entwickeln und stattdessen die in der Anschaffung günstigeren
Abgasturbolader zu verbauen.
G-Lader Entwicklungsteam auf der Bühne des
Volkswagen AutoMuseums in Wolfsburg beim Polo 2 G40 Treffen 2010; in der
Mitte sitzt der Webmaster dieser Seite
G-Lader Fertigung
Die Bauteile des G-Laders lassen kaum Spiel für
Toleranzen übrig, da sich die Kammerwände in den Abeitsräumen zwischen
Aluminiumgehäuse und dem Verdränger aus Magnesiumlegierung bis auf zehntel
Millimeter nähern und sich nicht berühren dürfen. Die Hoffnung, man könne
die Bauteile aus Druckguss ohne Nachbearbeitung übernehmen erfüllte sich
daher nicht. In den ersten Generationen des in Serie gefertigten G-Laders
kamen Hochgeschwindigkeitsfräsen zum Nacharbeiten der Gussbauteile zum
Einsatz. Weil die Technik der computergesteuerten
Hochgeschwindigkeitsfräsen (CNC) Mitte der achtziger Jahre noch in den
Kinderschuhen steckte, waren große Ausschusszahlen bei den produzierten
Komponenten hinzunehmen. Außerdem mussten Komponenten mit ähnlichen
Fertigungstoleranzen manuell gepaart werden, die ersten G-Lader wurden
also faktisch "handverlesen". Die Produktion der ersten G-Lader
hat Volkswagen in Kassel und Salzgitter noch selbst übernommen, da sich
noch
kein externer Hersteller dazu in der Lage sah.
Erst Anfang der neunziger Jahre waren die
Fertigungsprozesse soweit ausgereift, dass die Produktion des G-Laders
ohne große Ausschussmengen möglich war. Fortan wurden die Gusskomponenten
von der Firma Schweitzer und die Wellen von FAG geliefert und die G-Lader
bei der Firma Weber montiert.
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Parallelentwicklung
Ecodyno / "G50"
Etwa zu der Zeit, in der Volkswagen schon den
Serieneinsatz des G-Laders im VW Polo G40 ankündigte, wurden in der
schweizer Firma Aginfor der Ingenieur Fritz W. Spinnler sowie Konstrukteur
Roland W. Kolb erste Prototypen eines parallel entwickelten Spiralladers
erprobt. Später reifte das Projekt unter der Firma SIG (bekannt u.a. für
das bekannte "Tetra Pack") zur
Kleinserienfertigung des so genannten "Ecodyno". Bei der Konstruktion des
Ecodynos fokussierte man bereits Probleme, die beim VW G-Lader häufig
auftraten: die thermische Belastung des Führungslagers - auch "Wackelauge"
genannt. Da sich beim VW G-Lader das Elastomer zum Ausgleich der
unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten von Verdränger- und
Gehäusemetalllegierung im Laufe der Alterung unter ständiger
Hitzeeinwirkung versprödete, kamen die Entwickler des Ecodynos gänzlich
ohne Elastomer aus und lagerten das Gleitlager in einem Ausleger - dem so
genannten "Spatzenbein".
Nachfolger Handtmann Spirallader HSL / HSLn
Im Oktober 2009 stellte die Firma Handtmann auf der IAA in
Frankfurt den Prototypen eines Laders vor, der nach dem
Spiralverdichterprinzip arbeitet. Der "Handtmann Spirallader" - abgekürzt
HSL - war speziell für die Doppelaufladung vorgesehen. Die Konstruktion
zeigte große Ähnlichkeiten zum Volkswagen G-Lader, so waren Gehäusehälften
und Verdränger aus Aluminium- und Magnesium-Guss und CNC-nachbearbeitet. Die
Ölversorgung des HSL hat einen eigenen
Druckregler und konnte direkt an den Kreislauf des Motors angeschlossen
werden.
Eine Weiterentwicklung des HSL war der HSLn, der offenbar in der
Größenskalierung einfacher zu variieren war. Generell hält sich die Firma
Handtmann mit Informationen sehr bedeckt, offenbar weil das Interesse der
Automobilindustrie bislang nicht das erwünschte Maß erreicht. Man hörte
zwar von Versuchen und Prüfungen durch bekannte PKW-Hersteller, aber in
die Serienproduktion gelangte bis dato nichts.
Beispiele: der HSL wurde
durch die Firma
Bertrandt in einem VW Golf VI 1.4 TSI (Serie 118 kW / 240 NM) statt
dem Roots-Lader getestet. Beim Golf HSLT konnten mit HSL und
Abgasturbolader 175 kW und 355 NM gemessen werden. Eine weitere Testreihe
betraf ein so genanntes "Low Cost"-Aggregat für den Automobilbereich mit
einem hierfür eher untypischen Prinzip: ein Zweizylinder-Zweitakt-Diesel
mit 900cm³. Da ein Zweitakt-Dieselaggregat das Gemisch jedoch nicht
vorverdichtet, ist eine Zwangsbelüftung erforderlich. Diese wurde mittels
eines HSL Spiralladers realisiert.
Auf Nachfrage bestätigt die Firma Handtmann, aktuell Projekte mit
Automobilherstellern laufen zu haben und zusätzlich an einer neuen,
elektrisch angetriebenen Version des Spiralladers (HSLn) zu arbeiten für
den Einsatz in zweistufig aufgeladenen Otto- und Dieselmotoren.
Weiterführender Link zum Thema: >
www.ausleidenschaft.de <
G-Lader Nachbauten
Seit einigen Jahren versuchen sich Firmen daran, Komponenten und auch
ganze G-Lader nachzufertigen. Da das Druckguss-Verfahren für die zu
erwartenden Stückzahlen viel zu aufwendig und teuer ist, werden
Gehäusehälften und Verdränger meistens aus einem vollen Werkstoffblock
gefräst. Speziell bei der Magnesium-Legierung des Verdrängers ist auch das
verhältnismäßig teuer, so dass viele Nachfertigungen aus Aluminium
hergestellt werden. Dieser Verdränger ist dann allerdings viel zu schwer
und muss mit Ausbohrungen im Vollmaterial der Grundplatte nachträglich
erleichtert werden. Dies ist als kritisch zu betrachten, da die
Grundplatte nicht mehr die volle Stabilität gegenüber Verzug und
Schwingungen hat.
Auch wenn seit den 1980er Jahren die CNC-Fräsmaschinen deutlich besser
geworden sind und gute Maschinen auch für Kleinbetriebe erschwinglich
geworden sind, bleiben Restprobleme in den Fertigungstoleranzen. Mangels
Neufertigungen unter originalen Parametern besteht die Frage, inwieweit
solche Nachfertigungen irgendwann zu einzigen Alternative werden.
Auch wenn es in der Volkswagen-Entwicklung durchaus Gedanken gab, G-Lader
mit Kammerbreiten von über 60mm je Seite herzustellen, wurden diese nicht
vertieft. Einige Betriebe, die sich auf G-Lader spezialisiert haben,
bieten Umbauten auf "G45", "G65" und "G70" mit den entsprechenden
Kammertiefen an. Die Rückmeldungen über die Qualität und Haltbarkeit
dieser Sonderformen ist durchmischt, wird aber durch den Wunsch nach
Leistungssteigerung vieler Fahrzeugeigentümer getragen.
Spirallader in der Kälte- und Klimatechnik
In der Kälte- und Klimatechnik hat sich das Spiralladerprinzip schon lange
etabliert, daher sehen viele Klimakompressoren im Inneren einem VW G-Lader
sehr ähnlich. Auch in stationären Kälte- und Klimaanlagen hat sich das von
Leon Creux patentierte Prinzip durchgesetzt.
Obgleich der G-Lader bzw. generell der
Spiralverdichter mit 60 bis 70 Prozent Gesamtwirkungsgrad zweifelsfrei
eines der effizientesten Aufladungssysteme darstellt, fiel die Wahl der
von Volkwagen auf den deutlich günstiger zu produzierenden Abgasturbolader.
Das Hauptargument während der Produktionsphase des G-Laders, das beim
Abgasturbolader auftretende "Turbo-Loch", verlor mit Entwicklung der
variablen Turbinengeometrie (VTG) an Bedeutung. Bis Ende der neunziger
Jahre produzierte Volkswagen daher nur noch kleine Mengen des G-Laders zur
Ersatzteilversorgung, dennoch ist der G-Lader schon jetzt mangels
ausreichender Verschleißteilversorgung und absehbarem Produktionsstopp
neuer G-Lader zum Aussterben verurteilt. Genau darin sehen viele Fans den
besonderen Reiz und das Fahren eines G-Laders hat schon heute eine gewisse
Exklusivität, die nicht zuletzt durch den einzigartigen Klang des
G-Lader-Motors begründet wird.
Text und Bilder (C) Sebastian Winkler -
www.g-lader.info
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