Editiorial: Früher der Neon-Klecks, heute „Stancing“

Man kann sich fragen, was „Mode“ eigentlich genau ist. Viele und auch ich denken dabei zuerst an halbnackte, anorektische Models, die in unpraktischen Kleidungsstücken über einen Pariser Laufsteg stöckeln wie ein Storch im Salat. Ist Mode das, was uns gut gefällt, oder das, was uns suggeriert wird, zu gefallen? Oder einfach nur ein Herdentrieb, getragen und multipliziert von den Medien? Dazu darf jeder seine eigene Ansicht ermitteln. Aber bitte ohne Aluhut.
Dies ist wieder einmal ein Editorial von mir, dem Webmaster, und daher schreibe ich auch ein paar Gedanken von meiner Seite dazu auf. Ich für meinen Teil habe viele Moden kommen und gehen sehen. Oder man sagt „Trends“ dazu, auch diese kommen und gehen. Sehr lebhaft erinnere ich mich an die 1980er. Airbrushs auf der Motorhaube lagen einmal voll im Trend. Heulende Wölfe, Gewitterhexen, im Mondlicht springende Delphine – die Kreativität machte auch damals schon keinen Halt. Später waren es diese neon-farbenen Kleckse, die bevorzugt an Kleinwagen-Karosserien hafteten wie früher einmal Schulterpolster in Polyesterjacken. Hand aufs Herz – wer hat sich damals den Aufkleber aus dem Baumarkt mitgebracht, zwischen Primeln und Grillkohle? Ich jedenfalls nicht. Ein paar Jahre später waren Flipflop-Lackierungen der letzte Schrei. Kaum ein Highend-Tuningfahrzeug kam ohne schillernde Mehrfarblackierung aus. Und hier muss ich tatsächlich zugeben, dass es Farbkombinationen gab, die mir persönlich sehr gut gefallen haben. So – bis hierhin mal ein Summenstrich. Was sehen wir davon heute noch? Kaum etwas. Diese Trends sind vorbei, diese Mode ging schon lange in die Altkleidersammlung, sind so uncool geworden wie das Arschgeweih.

Auch heute schlendere ich noch über Auto-Treffen und stelle fest, wie alt und verknöchert ich doch mit meinen Ansichten geworden bin. Zum Beispiel der Trend zum „Rat-Style Look“: dieser schwappte aus der US-Szene rüber und hat sich lange gehalten. Inzwischen ebbt die Zahl von Fahrzeugen mit Rost-Effekt lackierten Plastikstoßstangen (zum Glück) wieder ab. Neue „Ratten“ (frei übersetzt ist eine „Ratte“ ein mutwillig zerstörtes Fahrzeug mit der Absicht zu zeigen, dass sich der Besitzer für gar nichts schämt) werden zukünftig dann wohl nur noch von Leuten gebaut werden, die sich einfach keine vernünftige Karre leisten können. Ich muss bei der Vorstellung schmunzeln, wenn vielleicht einmal deren Kinder Fotos von Papas coolen Autos von früher sehen wollen. Auch wenn zugleich die Vorstellung schockt, dass sich diese Klientel zumindest biologisch in der Lage ist, sich fortzupflanzen.
Noch recht neu oder bislang außerhalb meiner Wahrnehmung scheint aktuell das so genannte „Stancing“ zu sein. Dazu habe ich mich im Internet mal nach einer Definition umgesehen und fand sinngemäß folgende Erklärung: „Stancing ist das Verändern der Rad-Reifen- und Fahrwerkskombinationen in der Art, dass Reifenflanke und Kotflügelkante möglichst nah in Ruheposition stehen.“ Aha. Meine eigene Definition dazu lautet: „Stancing ist eine Art des Tunings, mit möglichst viel Geldaufwand und irreversiblen Veränderungen an der Karosserie die maximale Verschlechterung der Fahrbarkeit zu erlangen.“ Mitnichten – ich glaube niemand hat etwas gegen schöne Felgen, die auch teuer sein können. Nicht einmal ich, der sich selber als notorischer Motzkopf sieht. Nur ein paar Erlebnisse beim zuletzt besuchten M.I.V.W wollen (müssen?) offenbar noch verarbeitet werden: da gab es diese – nennen wir sie mal „VW- und Audi-Fans“, die mit ihrem Fahrzeug aus aktueller oder nur kürzlich eingestellter Produktionslinie voll angesagt waren, zumindest wenn man den Medien (s.o.) glaubt. Fette Pellen fallen sofort ins Auge, die allein mehr kosten als ein gepflegter Youngtimer (MIT Charakter… *hust*). Fehlen darf auch nicht der Ebay- Standardsatz Sticker (Shocker-Hand, Wheel-Whore…). Und natürlich Airride, ein Luftfahrwerk mit variabler Höhe. Und so gab es sich, dass diese Kombinationen aus Fahrzeug und „Fan“ über den Platz gockelten und wenn mal zu wenig Leute in deren Richtung guckten, wurde kurzerhand das Luftfahrwerk auf die maximale Tiefe gefahren. Das führte dann unweigerlich dazu, dass irgendwas am oder der Fahrzeugunterboden lautstark auf der Fahrbahn kratzte. Natürlich guckten dann wieder alle, Ziel erreicht. Eine Niveauregulierung für den Geisteszustand der Insassen hätte in meinen Augen mehr Sinn gemacht.
Effekthascherei um jeden Preis – das ist die Konstante in allen Trends. Was das Rad für den Pfau oder der rote… *piep*… für den Pavian, das sind auch Trends der so genannten Automobilkultur. Vorbei ist die Zeit, in der einfach interessante Fahrzeuge zählten – heute haut man einen Golf >5 platt auf die Straße, packt fette Räder und einen Haufen Sticker drauf. Fertig ist der „Pokaljäger“ und der Artikel in der Szenezeitschrift.
Trends polarisierten schon immer und das wird sich wohl auch nie ändern. Interessant finde ich nur, dass ich selber immer häufiger auf der Seite stehe, die verständnislos mit dem Kopf schüttelt.

Nehmt es mir bitte nicht übel und wer das schön findet – bitte. Ich muss ja nicht damit fahren. Früher war eh alles besser, inklusive der Rechtschreibung – das geht an alle, die sich über die (allerdings korrekte) Schreibweise des Wortes „Delphine“ wunderten.

Euer
Basti / Mail Man G40