Alles lief rund bei der „Rund um Wesel“

„September“ steht nun auf dem Kalender und wie zur Bestätigung sinken die Temperaturen bereits deutlich an den stetig kürzer werdenden Tagen. Die Leute sprechen von „Herbst“, Übergangsjacken und Weihnachtsgebäck in den Supermarktregalen. Igitt! Kommt gar nicht in Frage. Verleugnung – die erste Phase im Trauerprozess, dass der Sommer 2017 auf Abschiedstournee ist.
Für meinen Beifahrer Erich (der beste Beifahrer der Welt!) und mich ist die „Rund um Wesel“ in unserer Region eine feste Größe. Und es war ein Kraftakt: nicht nur, dass der Oldtimer meiner Eltern einige (viele) Streicheleinheiten einforderte – auch unser Fahrzeug erster Wahl fiel just am Tag zuvor mit einer Leckage an der mechanischen Kraftstoffpumpe aus. Macht nichts, fahren wir halt Polo G40, ist ja jetzt nicht sooo schlimm. Das Wetter sollte wider meines persönlichen Erwartens sogar noch einmal schön werden.
Mit entsprechend früher Nennung durften wir schon 12 Minuten nach dem Start des ersten Fahrzeuges auf die Piste, 48 weitere Old- und Youngtimer folgten uns im Minutentakt entlang dem schönen Niederrhein. Stolz wie Oscar, dass wir das kleine „Häkchen“ im ersten Kreisverkehr auf unserer Habenseite buchen konnten, tappten wir wenige hundert Meter voll in die Falle der Automobilisten des unteren Niederrheins. Wenn nämlich die als Chinesenzeichen gegebenen Fahraufträge nummeriert wurden, dann sind diese auch in der Reihenfolge dieser Nummerierung abzufahren. Und nicht in der Reihenfolge wie sie aufgeschrieben stehen! Zum Glück kassierten wir nicht den Stempel in die Bordkarte, der unser Versagen dokumentenecht bestätigt hätte. Stattdessenn kurvten wir nur einen knappen Kilometer vom Start zunächst hilfs- dann auch orientierungslos umher. Dankenswerterweise entdeckte mein Beifahrer Erich die gestellte Falle und wir nahmen die Fährte wieder auf, notierten die versteckte OK an der richtigen Stelle und bekamen auch den Stempel genau so wie es die Musterbordkarte später als Ideallösung ausweisen sollte.
Nun mit der Gewissheit, dass wir keine Rallyegötter sondern normale Sterbliche sind, ging es für uns endlich weiter. Zusätzlich zu den geschickt platzierte OK galt es auch so genannten „stumme OK“ – hier: Buchstaben von Ortseingangs- und Rückseiten- sowie Hinweisschildern und zusätzlich die Querung von Bahngleisen – zu notieren, um die Zahl der Fehlerpunkte möglichst auf ein Minimum zu begrenzen. Vorbei an renitenten (und/oder betrunkenen?) Radfahrern auf der Strecke und einem Chinesenlabyrinth im Fahrauftrag setzten wir unsere Fahrt bis zur GLP fort und ließen den Polo G40 zwischenzeitlich auch das ein oder andere Mal von der Leine. Bei der GLP bzw. Sollzeitprüfung lautete die Aufgabenstellung, eine vorher definierte Strecke mit einer ebenso definierten Durchschnittsgeschwindigkeit zu fahren. Die Tabellenbücher haben wir bei Rallyes immer an Bord, also spurteten wir mit tickender Stoppuhr nach dem „Los“ zügig an. Zu unserer Freunde kreuzten wir die Lichtschranke exakt auf die Nachkommastelle sekundengenau und durften diese Sonderprüfung mit null Fehlerpunkten verlassen. Vorbei an einer Kornbrennerei, der Märchenoma in Suderwick und einer SK mit Fahrgeschicklichkeitsaufgabe und im weiteren Verlauf mit einer Frage zum eigenen Teilnehmerfahrzeug blieb die gesamte Rallye am Niederrhein spannend und fordernd.
Und weil wir dem G40 auch artengerecht Auslauf gewährt haben, kamen wir als einer der Ersten im Ziel an. Nach der wie immer beeindruckend schnellen Auswertung durften wir uns über den 6. Platz in der stärksten Klasse freuen und auch unsere Clubkollegen räumten den Tisch mit den glänzenden Staubfängern reihenweise leer. Der Freudentaumel erhielt einen jähen Dämpfer, als wir nach draußen in die Kälte traten und protestierend die Übergangsjacken anzogen. Der Sommer 2017 hätte ruhig etwas länger bleiben können, verdammt nochmal! Aufbrechende Emotionen: die zweite Phase im Trauerprozess. Bleiben noch zwei weitere Phasen zu überstehen – und dann ist bestimmt schon Winter. Vielleicht schmeckt dann auch das Weihnachtsgebäck.

Zum Abschluss bleibt zu sagen, dass der ACN Wesel wieder einmal eine perfekte Veranstaltung auf die Beine gestellt hat. Auch wenn man hier in der Region schon gefühlt jede Milchkanne kennt, war die Route einfalls- und abwechslungsreich. Die kleinen Fallen gehören ganz klar in die Kategorie der liebenswerten und interessanten Herausforderungen, von daher „Chapeau!“ – Ihr habt uns ein wenig geleimt und wir fanden es toll. Wir kommen wieder. Und dann passen wir besser auf. Gut – das haben wir bei dieser Rallye auch gesagt. Aber 2018 machen wir es wirklich… 🙂