Umzug des Volkswagen-Museums: was nicht verloren gehen darf

Wenn die „Kronjuwelen“ auf Reisen gehen, ist Vorsicht geboten!

Als am 25. April 1985 das Volkswagen AutoMuseum zum ersten Mal seine Türen öffnete, ahnten die Besucher nichts von der großen Not im Hintergrund: Autohersteller Volkswagen hatte sicherlich immer wieder andere Probleme, als sich mit abgelegten Fahrzeugen aus der Forschung und Entwicklung zu belasten. So entstand lange kein echtes Konzept, was damit passieren sollte. Zum Glück war es schließlich einem kleinen Kreis von Personen zu verdanken, dass in den Sechziger Jahren zumindest einige Zeitzeugen des Wolfsburger Autobauers zunächst in einer inoffiziellen Sammlung auf dem Werksgelände aufbewahrt wurden und nicht in den Schmelzofen kamen. Oder anderweitig diffundierten. Bevor Museums-Gründer Bernd Wiersch allerdings seine Vision der öffentlich zugänglichen Sammlung in die Realität umsetzen konnte mussten sogar einige Fahrzeuge von ihren damaligen Besitzern zurückgekauft werden. Diese Hartnäckigkeit hat sich gelohnt, einzigartige Zeitzeugen auf Rädern blieben erhalten und sie standen fortan unter dem schützenden Mantel der Stiftung AutoMuseum Volkswagen. Wie letzte Woche bekannt wurde (auch G-Lader.info berichtete), kehrt das Museum und damit die Sammlung 2024 wieder auf das Werksgelände zurück. Eine Chance? Oder auch Risiko? Beides?! Es folgt ein Potpourri der Gedankengänge dazu.

Das Gebäude der ‚Herrenkleiderwerke Odermark‘ wurde 1966 als Textilfabrik gebaut und beherbergte keine 20 Jahre später die „Schatzkammer der Marke“ von Volkswagen, das heutige AutoMuseum an der Dieselstraße 35. Repräsentativ war das Gebäude vermutlich nie so richtig und Stand heute kann man auch von einem erhöhten Sanierungsbedarf sprechen. Rund 140 ausgewählte und damit ausgestellte Fahrzeuge sind, viele davon über Dekaden unbewegt, Zeitkapseln dessen was besondere Meilensteine technologischer, modell- bzw. designspezifischer Entwicklung ausmacht. Oder einfach Erbstücke und markenverwandte Kuriositäten. In den Anfängen wurde selten umgeschichtet, was der Sammlung leider den bösen Spitznamen „Volkswagen AutoMausoleum“ einbrachte. Dazu muss man betonen, dass die eigentliche Sammlung noch weitaus größer ist, als das, was im Ausstellungsraum sichtbar ist: in den Nebenräumen und zusätzlichen Außenlagern befinden sich weitere Fahrzeuge in unterschiedlichen Erhaltungsstadien. Jedes davon ist in der Regel irgendwie besonders. Ob allerdings ein weißer, viertüriger Jetta I mit VR6-Vorserienmotor für eine exemplarische Familie aus Oer-Erkenschwick, die mit ihren Kindern den neuen Tiguan in der Autostadt abholen will, genau so interessant ist wie für die Markenfans (denn gerade der VR-Motor hat seine eigene Fan-Gemeinschaft) darf man sicher bezweifeln. Bald steht ein großer Umbruch an. Genau an diesem Punkt würde die Musik eines Spielfilmes zum AutoMuseum mit Bratschen und Pauken düster werden, mögliches Unheil ankündigen.

Vergleicht man auf den im Internet verfügbaren Luftbildern die beiden Gebäude des jetzigen Standortes und den der ‚Alten Feuerwache‘, wo das Museum hinziehen soll, dann fällt sofort eine kleinere Grundfläche auf. Das muss nicht unbedingt etwas bedeuten, zumal der Schattenwurf auf dem Luftbild auf eine Mehrgeschossigkeit schließen lässt. Natürlich bleibt zu hoffen, dass Volkswagen endlich mal wie andere Wettbewerber auch die nötigen Mittel in die Hand nimmt („lasst Euch Eier wachsen!“) und durch Aus- und Umbau die schlichtweg nötige Fläche schafft, um die Exponate auch in der Quantität und Qualität zu präsentieren wie es zum Beispiel die süddeutschen Traditionshersteller tun. Einschätzungen interner Quellen lassen hier aber keinen Optimismus aufkeimen. Dabei könnte man – die Gedanken sind frei (die Budgets dafür sicherlich nicht) – die beiden südlich der Feuerwache liegenden kreisförmigen Fundamente aktivieren und weitere Glastürme zur Lagerung der Fahrzeuge errichten. DAS wäre, zusammen mit einer chic renovierten Feuerwache, adäquat um knapp 90 Jahre Automobilbau an diesem Standort in seiner Historie zu bewahren. Zudem könnte man aus dem Fahrzeugbestand vor Ort für rotierende Ausstellungen schöpfen ohne jedes Mal eine Spedition mit dem Fahrzeugtransport zu beauftragen. Niemand erwartet (nicht einmal ich), dass die nach meiner Schätzung ca. 500 Fahrzeuge aus den Beständen des Museums und Volkswagen Classic alle fahrbereit, konserviert, poliert und vollständig dokumentiert werden, aber zumindest erhalten bleiben müssen sie sonst sind wir wieder auf dem Stand der Sechziger Jahre.

Auch muss man befürchten, dass die Entscheidungen von Personen getroffen werden, in deren Blut kein Benzin fließt – schließlich müsste man sich heutzutage dafür eco-shamen, Rückstände eines fossilen Brennstoffes im Organismus zu haben. Wenn es dann in der Konsequenz bedeutet, dass einige Fahrzeuge für die beispielhaft genutzte Tiguan-fahrende Familie aus Oer-Erkenschwick nicht spannend genug sind, dann werden womöglich Fahrzeuge aussortiert beziehungsweise wird die Sammlung bereinigt werden. Was auch immer das dann heißen mag. Für den kühlen Rechner reichen schließlich die freundlichen Gesichter eines Käfers und Bullis um den aus China importieren Schrömmel Merchandise (Lizenzprodukte!) verkaufen zu können. Mehr als das gibt das Restguthaben auf dem Gutschein der Autostadt nach der Neuwagenabholung des Tiguans vor der Heimfahrt nach Oer-Erkenschwick eh nicht her. Also bleiben die Sorgen um Quantität und Qualität der Fahrzeuge bestehen; gerade bei denen, die im staubigen Verschlag im Wolfsburger Vorort mangels ausstellungsfähigem Zustand bislang „unentdeckt“ blieben.

Zu den schnöden Gegenständen (Autos) kommt die Sorge um die Menschen, das Herzblut, das Wissen und die Parkplatz-Romantik. Ich sehe ein, dass dies Erläuterung bedarf: seit einigen Jahren gibt es im Volkswagen Museum so genannte Sonderausstellungen. Für die Fans und alle, die mehr oder weniger zufällig das Museum an der Dieselstraße gefunden haben hat das zur Folge, dass es trotz der widrigen gegebenen Umstände immer mal wieder etwas Neues zu sehen gibt. Unter bestimmten Themen werden wechselnde Fahrzeuge aus den Beständen des Museums (auch z.T. nie gezeigte Exponate aus den Außenlagern!), von anderen Museen und/oder privaten Eigentümern präsentiert. Auch Jubiläen bestimmter Modellreihen werden in einer Form zelebriert die so an keinem anderen Punkt des Volkswagen-Konzerns möglich ist. Eine Prise Kultur rundet mit musikalischen Veranstaltungen und Kunstausstellungen das Programm ab. Das geht allerdings nur dank der kleinteiligen Arbeit der Mitarbeiter (natürlich auch und besonders Mitarbeiterinnen) vom Volkswagen-Museum, die häufig Markenclubs bzw. Markenfans und Spezialisten aktiv mit einbeziehen und dieses Netzwerk ebenso aktiv pflegen. Eines davon hat sogar einen Namen: Freundeskreis Stiftung AutoMuseum Volkswagen. Das passende Gegenstück dazu sind Besuche von Personen- und Fahrzeuggruppen am Museum, sei es auf der Durchfahrt oder gezielt als Treffpunkt, z.B. um ein Clubtreffen zu feiern. Nicht selten bringt dieser Austausch auch wieder Wissen und Anekdoten zu Tage, das bei Volkswagen schon lange im Zuge einer der zahlreichen Restrukturierungen verloren gegangen sind. „Aber wieviel ist Volkswagen das wert?“ darf man sicher hinterfragen und auf dem Weg zur reinen E-Mobilität des Taktgebers scheint die Antwort vorprogrammiert.

Die VW Polo IG Deutschland e.V. besuchte die Sonderausstellung „40 Jahre Polo“

Eine gewisse Skepsis scheint angebracht und die Erfahrung, dass der Klassik-Bereich bei Volkswagen lange Zeit ein gewisses Schattendasein geführt hat, liefert zusätzlichen Treibstoff. Nun habe ich mit meinen niedergeschriebenen Gedanken zum Thema Volkswagen AutoMuseum möglicherweise einen weiteren Pflasterstein auf meinem persönlichen Weg zum Mecker-Opa gelegt. Wenn ich aber in meiner Vergangenheit eines gelernt habe, dann ist es, dass man auch älteren Menschen zuhören sollte. Auch wenn es zuweilen spitz formuliert ist, möchte ich nur konstruktive Kritik äußern. Und ich gelobe, dem Pessimismus nicht die Oberhand zu gewähren. Hier ist abschließend meine persönliche Wunschliste – diese darf sich die Agentur gerne abschreiben und als ihre eigene verkaufen:

  • Bitte schafft ausreichend Platz für die vielen Fahrzeuge. Ihr habt nur diese Chance – nutzt sie!
  • Seid endlich stolz auf Eure Geschichte und packt die German Angst beiseite, wenn es um bestimmte Jahreszahlen geht.
  • Jedes Fahrzeug im Bestand hat seine Berechtigung. Ein besuchbares Depot (wie z.B. im Glasturm) wäre ideal, mindestens aber sollte sich der Zustand der eingelagerten Fahrzeuge nicht durch die Art und Weise der Unterbringung verschlechtern. Kein Fahrzeug darf und keines muss verloren gehen.
  • Bitte schafft einen Ort der Zusammenkunft für die Fans. Dafür ist in der Praxis ein einfacher Parkplatz besser geeignet als ein weiß gefliester Saal, der mehrmals am Tag durchgefeudelt wird.
  • Gebt bitte den Personen rund um das Museum den nötigen Raum, das Gehör und auch den Einfluss. Die machen das schon ein paar Jahre länger als die beratende Agentur. Wehret den Anfängen!
  • Das Konzept der rollierenden Ausstellungen hat sich bewährt. Ja, es ist Arbeit; ja, es kostet Geld. Aber keine Sorge: die anderen Hersteller, die ihre eigene Geschichte zu schätzen wissen, schaffen das auch. Und mit der richtigen Öffentlichkeitsarbeit ist das Potential gigantisch.

Ich für meinen Teil hoffe, dass dieses Bild der Sonderausstellung anlässlich des 40. Jubiläums des Modells POLO nicht irgendwann ein „Foto aus besseren Zeiten“ ist. Dem bevorstehenden Umzug sehe ich mit Freude entgegen und glaube fest an eine positive Entwicklung – im Sinne der Bewahrung der Historie in Form von Exponaten, im Sinne der damit verbundenen Personen und nicht zuletzt im Sinne der Besucher – das sind sowohl Marken- und Technikfans als auch die Familie aus Oer-Erkenschwick mit dem neuen Tiguan.

In diesem Sinne
Euer
Mail Man G40 / Sebastian Winkler